Ein Gespräch mit Sergey Sabelnikov, Teil des Leitungsteams bei der ÖFO - Ökumenischen Flüchtlingshilfe Oberstadt
Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 sind politische Zielsetzungen, welche auf soziale, wirtschaftliche und ökologisch nachhaltige Entwicklung ausgelegt sind. Das Thema Migration und Flucht wird in der Agenda 2030 auf unterschiedlichste Weise aufgegriffen und als ein wesentlicher Aspekt von Entwicklung verstanden.
Dies verdeutlicht beispielsweise das Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit für alle und die Stärkung des Wirtschaftswachstums. Weltweit leben 700 Millionen Menschen in Armut, obwohl sie arbeiten. Über 100 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren sind berufstätig und besuchen keine Schule. Dies ist unter anderem der Fall, da Familien auf Kinderarbeit und das zusätzliche Gehalt angewiesen sind, um ihre Familie ernähren zu können. Aufgrund dessen, erfahren die Kinder oftmals keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu Bildung. Dies führt zu einer Chancenungleichheit, welcher das Ziel Nr.10 entgegenwirken soll: Der Abbau von Ungleichheiten innerhalb - aber auch zwischen den Staaten.
Die enorme Chancenungleichheit ist eine bekannte Fluchtursache, deren Abbau unbedingt von Nöten ist und zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum und einem stärkeren sozialen Zusammenhalt innerhalb und zwischen den Saaten verhelfen würde.
Wie sieht die Umsetzung der Ziele wie z.B. die Reduzierung von Ungleichheiten im Lebensstandard sowie die Schaffung von Chancengleichheit in Deutschland in Bezug auf Menschen, die zu uns kommen, aus? In diesem Zusammenhang hat Julian Schroeder, Geschäftsführung Weltladen Unterwegs in Mainz, im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus ein Interview mit Sergej Sabelnikow geführt. Sergej ist Teil des Leitungsteams bei IBBO (Interkulturelles Bildungs- und Begegnungszentrum Oberstadt) und Mitarbeiter bei der ÖFO e.V. (Ökumenische Flüchtlingshilfe Oberstadt in Mainz). Seine Schwerpunkte sind Arbeitsprogramme, berufliche Integration und Bildungshilfe. Er hat direkte Praxiseinblicke und kümmert sich um die Anliegen der Menschen, die zu ihm kommen.
Menschen, die in einen anderen kulturellen oder sprachlichen Raum gewechselt haben, sind immer vor Schwierigkeiten und Herausforderungen gestellt. Die neue Sprache, andere Strukturen, Behördengänge und auch das Bildungssystem sind Aspekte, die bewältigt werden müssen, um im neuen Land erfolgreich ankommen zu können. Insbesondere junge Menschen, welche aus Kriegsgebieten geflohen sind, haben oftmals keinen ausreichenden Zugang zu Bildung erfahren. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern, bedeutet also produktive und menschenwürdige Vollbeschäftigungen und einen Zugang zu Bildung für alle zu fördern.
Auch gibt es Hemmnisse bei der Anwerbung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland: Viele qualifizierte Fachkräfte bleiben in ihrem Heimatland, da der Umzug in ein anderes Land mit vielen verschiedenen Hürden verbunden ist. Vor Ort befinden sich jedoch motivierte Menschen, welche sich zu qualifizierten Fachkräften ausbilden lassen möchten, was jedoch oft an bürokratischen Hemmnissen wie z.B. dem Aufenthaltsstatus scheitert. Große Frustration findet sich sowohl bei in Deutschland lebenden Menschen wieder, welche keine Arbeitserlaubnis bekommen, als auch bei Menschen, die nach Deutschland kommen möchten, aber von den damit verbundenen Hürden abgeschreckt werden. Die erfolgreiche Umsetzung der 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, könnten dieser Frustration entgegenwirken.
Sergej berichtet, dass er in den letzten sechs Jahren viele positive Erfahrungen in Mainz sammeln konnte. Er sieht die deutsche Gesellschaft als integrativ und bereit Menschen aufzunehmen. Es gibt immer mehr Angebote, welche im Sinne der Nachhaltigkeitsziele orientiert sind. Politische Entwicklungen sind klar zu erkennen, allerdings müssen wir als Gesellschaft „am Ball bleiben“ um weitere Fortschritte verzeichnen zu können. Dies ist gerade in Zeiten von COVID-19 besonders erforderlich. Durch die Corona Pandemie wird die Chancenungleichheit, auch innerhalb Deutschlands, begünstigt und gerät aktuell besonders in die Kritik. Jedoch kann aufgrund der Corona Pandemie auch eine fortschreitende Digitalisierung festgemacht werden. Angebote werden geschaffen, bei denen Menschen erreicht werden, die sonst nicht an Veranstaltungen hätten teilnehmen können. So nehmen an den vom IBBO angebotenen Deutschkursen auch Menschen teil, welchen dies aufgrund von räumlicher Distanz oder mangelnden Kapazitäten in der Vergangenheit verwehrt blieb.