Vielfalt der Zuwanderung | Teil 2: ausgewählte Zitate
Sercan Öztürk hat vom 1. Dezember 2020 bis zum 31. August 2021 ein Praktikum in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit beim Weltladen Unterwegs absolviert. Während seines Praktikums führte er Interviews mit drei Ärzt*innen, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind, um den Integrationsprozess von hochqualifizierten Flüchtlingen besser zu verstehen und zu beschreiben. Im Mittelpunkt der Interviews stand die Integration in Bezug auf Sprache, Beruf und Kultur. Beim folgenden Text handelt es sich um ausgewählte Zitat seiner Interviewpartner*innen.
TANJU
(in Bayern, 30 Jahre alt, ledig, wohnt seit August 2017 in Deutschland. Jetzt wohnt er in einer Sammelunterkunft und wartet auf den Abschluss seines Asylantrags)
"Für vier Monate kam ich in eine Sammelunterkunft und nach ungefähr 23 Monaten bekam ich eine Antwort von den Behörden; es war eine negative Antwort.”
“Ich selbst konnte nicht zum Deutschkurs gehen, weil ich kein Geld in der Tasche hatte. Da ich noch keine Aufenthaltserlaubnis hatte, wurden meine Sprachkurskosten nicht übernommen. Dann habe ich in der Stadt K. einen kostenlosen VHS-Kurs gefunden. Allerdings ist Pendeln sehr teuer und kostet 250 Euro im Monat.”
“Eine Universität bot einen DSH-Kurs auf C1-Niveau an. Als ich das hörte, legte ich einen Einstufungstest ab, um an diesem Kurs teilnehmen zu können. Ich hatte den B2-Kurs noch nicht beendet, wollte aber trotzdem mein Glück versuchen. Die Prüfung habe ich erfolgreich absolviert und mich somit für den DSH-Kurs qualifiziert. Dies habe ich dem Landesamt gemeldet. Sie sagten daraufhin, dass ich innerhalb eines Monats eine Antwort bekommen würde. Ich habe immer noch keine Antwort bekommen, das ist anderthalb Jahre her…”
“Wenn man also keine Aufenthaltserlaubnis hat, muss man beharrlich sein und auf den guten Willen der Zuständigen hoffen. Wenn der Chef die Hospitation nicht genehmigt hätte, wären mir die Hände gebunden gewesen.”
“Während der Pandemie habe ich z.B. bei einigen Verbänden meine Hilfe angeboten. Es hieß, man brauche keine Hilfe und man würde mich bei Bedarf informieren.”
“Hätte ich direkt nach meiner Ankunft einen Sprachkurs besuchen können, hätte eventuell schon nach anderthalb Jahren meinen Beruf vernünftig ausüben können. Ich hätte weniger Sorgen, und Deutschland hätte nicht so viel Geld ausgegeben”
“Bleibe ich weiterhin in einer gemeinsamen Unterkunft, ist dies mit viel Kosten verbunden (monatliches Einkommen, Strom, Miete, …). Das System schadet sich also selbst und auch meiner mentalen Gesundheit. Also wer profitiert hier?”
DENIZ
(in Rheinland-Pfalz, 27 Jahre alt, wohnt seit Februar 2019 mit ihrem Kind und Ehemann in Deutschland. Momentan bereitet sie sich auf die Berufsprüfung in Rheinland-Pfalz für die Berufserlaubnis vor. Nach der Prüfung darf sie in Deutschland arbeiten)
“Deutschland ist ein demokratischeres Land, in dem es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern leichter für Asylsuchende ist zu immigrieren. Deshalb habe ich mich für Deutschland entschieden.”
“Als wir ankamen, trafen wir einen Anwalt, der Asylsuchende über das Asylverfahren informierte. Wir haben uns einmalig eine juristische Meinung eingeholt. Abgesehen davon haben wir keine hilfreichen Informatione naus dem Camp bekommen… Nur von Menschen aus unserem Bekanntenkreis.”
“Der Integrationskurs, den wir als erstes besuchten war der, an dem alle Asylbegehrenden hier teilnehmen müssen. Es war ein sehr langsamer Kurs. Ehrlich gesagt, habe ich das Gefühl, ich hätte Zeit verschwendet. Mit anderen Worten, es gab viele Feiertage und da nicht jeder auf dem gleichen Lernstand war, war das Lerntempo insgesamt eher schleppend. Es gab Grundschulabsolventen, Uni-Absolventen, Leute ohne Beruf, Ärzte oder Apotheker. Dagegen war der Kurs der Universität gut. Es war ein schneller Kurs...”
“Das Jobcenter hatte in meinem Fall keine Kenntnis von den Uni-Kursen, davon habe ich zufällig von einem Bekannten erfahren.”
“Einmal pro Woche treffen wir uns mit zwei deutschen Ärzten, mit denen ich befreundet bin, über Zoom… Das hat ein Freund arrangiert. Ererklärt uns zum Beispiel, wie eine Amnese und Krankenhausgespräche hier ablaufen. Und das vollkommen freiwillig.”
“Obwohl es Personalmangel gibt wird die Anerkennung der Berufsqualifikation erschwert. Wirklich gut gebildete Leute warten untätig rum. Egal ob bezahlt oder auf Freiwilligenbasis, qualifizierte Menschen könnten beschäftigt werden...”
DUYGU
(in Sachsen, 29 Jahre alt, seit Januar 2018 mit ihrem Kind und Ehemann in Deutschland. Seit Januar 2020 arbeitet sie als Assistenzärztin in der Neurologie. Momentan ist sie in Elternzeit)
“Wir haben die bürokratischen Abläufe vollständig selbst arrangiert. Wir haben selbst im Internet nach Jobs gesucht und uns schlau gemacht, welche Dokumente benötigt werden. Wir hatten damals den B2-Kurs beendet, deshalb war es nicht so schwierig, die Bürokratie selbst zu organisieren. Wenn wir jedoch vorher eingewiesen worden wären, hätten wir uns in der B1-Phase, vielleicht sogar schon in der A2-Phase besser organisieren können und hätten keine Zeit verloren.”
“Die kürzesten Integrationskurse dauern fünf oder sechs Monate. Ich dachte, ich sollte schneller Deutsch lernen und sofort anfangen zu arbeiten. Unsere Geduld hatte noch mehr nachgelassen. Zwischen Mitte April und Ende Mai einen B2-Kurs besucht, den ich selbst bezahlt habe. Im Juli habe ich einen dreimonatigen Fachsprachkurs angeschlossen. Im folgenden Januar habe ich die Fachsprachprüfung angetreten. Nach Erhalt meines Ergebnisses habe ich gleich im selben Monat angefangen zu arbeiten.”
“Wir wollen eine Sprache lernen und in das Leben integriert werden, aber ich kann sagen, dass die Bürokratie hier Steine in den Weg legt.”
“Ich habe hospitiert und die Stelle auch selbst gefunden. Ich habe mich in einem Krankenhaus in der nächstliegenden Stadt beworben. Das Jobcenter hat uns auch zu diesem Thema keine Information gegeben, weil es keine zu Verfügung hatte…”
“Als wir zum Beispiel in NRW waren, trafen wir uns mit einpaar Nachbarn oder Gemeindemitgliedern, die wir von der Kirche kannten. Wir gingen zu den Programmen der Kirche, wo wir uns mit deutschen Freunden trafen. Dann gab es eine deutsche Familie, die uns half, die Sprache zu lernen. Wir gingen einmal in der Woche zu ihnen. Dort waren wir etwas mehr involviert.”
“Ich mag, dass alles geordnet abläuft, dass alles eine Regel hat. Wenn Sie beispielsweise im Internet nach etwas suchen, sehen Sie Regeln und eine funktionierende Ordnung. Es wird nichts dem Zufall überlassen, also hat man ein gewisses Gefühl der Sicherheit.”
(Unser Themenschwerpunkt Flucht, Migration und der Faire Handel wird gefördert durch Brot für die Welt sowie das Integrations- (MFFKI RLP) und das Innenministerium Rheinland-Pfalz (MDI RLP))